White Paw:
Asia, kürzlich hast du deinen 70.Geburtstag gefeiert. Bevor du in Rente gingst, warst du Mathematik-Professorin an der Universität in Kiew.
Hättest du dir damals vorstellen können, einmal eines der größten privaten Tierheime in der Ukraine aufzubauen und zu leiten?
Asia:
Nein, überhaupt nicht. Eigentlich wollte ich malen, wenn ich nicht mehr berufstätig bin. Vorher hatte ich zu wenig Zeit.
Ich liebe es in der Natur zu sein und Blumen und Tiere zu zeichnen.
White Paw:
Waren Tiere immer schon Teil deines Lebens?
Asia:
Oh ja, nicht nur bei mir. Ich habe eine große Familie, und alle lieben Tiere.
Wir hatten selbst immer Hunde und Katzen, und sind mit ihnen aufgewachsen.
White Paw:
Heute hast du alleine in deinem Tierheim fast 1000 Tiere zu versorgen.
Wie bist du überhaupt dazu gekommen dich für Straßentiere einzusetzen und ein Tierheim zu gründen?
Asia :
Es war ein einziger Tag, der mein Leben komplett veränderte.
In der Nähe unserer Wohnung in Kiew lebte eine Hundefamilie.
Meine Tochter und ich gingen regelmäßig hin und fütterten sie.
Eines Tages waren die Hunde nicht mehr da.
Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen.
Ich fragte die Nachbarn, was passiert war, und erfuhr, Fremde hätten die Tiere eingefangen und in ein Tierheim gebracht.
Meine Tochter und ich fuhren dort hin, es war 70 km von Kiew entfernt. Was wir dort sahen, werde ich nie in meinem Leben vergessen.
Es war der schlimmste Ort, den man sich vorstellen kann.
In diesem Moment wusste ich, ich möchte diesen Tieren helfen.
Ich muss einen Ort schaffen, wo Streuner in Sicherheit leben können. Nichts anderes war mehr wichtig.
Das war im Jahr 1999.
White Paw:
Wie hast du diese Idee umgesetzt? Man braucht Platz und viel Geld für den Unterhalt der Tiere. Hast du Spenden gesammelt?
Asia:
Zunächst hab ich alle meine Freunde und Bekannte angesprochen und angeschrieben, die wie ich Hunde und Katzen lieben, und das gleiche Mitleid mit Streunern
empfinden.
Ich habe etwa 50 Menschen gefunden, die mich unterstützen wollten, und wir gründeten unsere Organisation, deren Präsidentin ich wurde.
Dann ging alles sehr schnell, wir fanden ein Gelände, das heutige Tierheim Gostomel, und fingen einfach an.
White Paw:
Aber damals sah es nicht aus wie jetzt?
Asia:
Nein, kein Vergleich. Es gab nur 4 alte eingefallene Steinmauern, die einmal Wände waren. Kein Dach, kein Boden, keine Türen und natürlich keine Zwinger.
Mit 5-7 Leuten haben wir mit Nichts angefangen. Immer gebaut, sobald wir Geld oder Baumaterial hatten. Manchmal haben wir tagelang Zwinger
aufgebaut, und die Hunde haben sie innerhalb kürzester Zeit durchgebissen oder sich unten durchgebuddelt.
In den ersten beiden Jahren war das Gelände gepachtet, danach haben wir es gekauft.
Dafür mussten wir einen Kredit aufnehmen.
White Paw:
Das ist eine große Verantwortung.
Wie haben deine Kinder und dein Mann reagiert, als sich euer Leben so komplett verändert hat?
Asia:
Mein Mann Valerie hat mich immer unterstützt. Er hat sich im Lauf der Jahre sehr verändert. Als junger Mensch mochte er Hunde und Katzen überhaupt nicht. Er hat sie sogar verjagt. Heute hat er
ein offenes Herz, und ist eine große Stütze bei meiner Tierschutzarbeit.
Auch meine beiden beiden Kinder haben mich mit immer bestärkt und unterstützt.
White Paw:
Bestimmt gab es auch Menschen, die nicht positiv reagiert haben, zumal die Ukraine viele andere Probleme hat. Hast du Freunde und Bekannte verloren, die kein Verständnis für dein Engagement für
Tiere hatten?
Asia:
Es haben sich auch Freundschaften auseinander entwickelt. Aber ich bin nicht traurig darüber, weil ich immer wusste, ich tue das richtige. Straßentieren zu helfen ist mein Leben.
Vielleicht hat mir jemand diese Aufgabe gegeben, und ich hab nie daran gezweifelt, sie so gut es geht erfüllen zu wollen.
White Paw:
Nach über 15 Jahren aktiver Tierschutzarbeit konntest du die Entwicklung in der Ukraine genau miterleben. Was hat sich in dieser Zeit verändert?
Asia:
Wenn ich die aktuelle Situation sehe, glaube ich oft, es hat sich nichts verbessert. Auch die vielen Proteste und Medienberichte vor der EM haben nichts bewirkt. Die Menschen müssen sich ändern,
und das ist ein langer Prozess. Hoffnung machen mir die jungen Ukrainer, die sich für den Tierschutz einsetzen.
White Paw:
Wie gehst du mit den vielen traurigen Situationen, Verlusten und Rückschlägen um?
Oder anders gefragt, woher nimmst du die Kraft immer weiter zu machen?
Asia:
Ich habe oft Angst, was mit den Tieren passiert, nicht nur denen in Gostomel, wenn ich nicht mehr da bin. Den großen Umbruch im Tierschutz werde ich nicht mehr erleben,
das ist mit sehr bewusst. Aber so lange es geht, werde ich kämpfen.
Kraft geben mir die Tiere.
Jeden Tag, wenn ich im Tierheim bin, und sie um mich habe, denke ich, dass ich nie vorher in meinem Leben so glücklich war.
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Das Interview wurde am 30. Januar in Gostomel auf englisch geführt und übersetzt.